Roter Faden zog sich durch die Lesungen

Nordbremer Literaturfestival „Gastgeber Sprache“ eröffnet: Autorenkreis überzeugte durch Spannung und Dramaturgie

„Der rote Faden“ – Autorinnen und Autoren eröffneten in der Stadtbibliothek Vegesack das Literaturfestival „Gastgeber Sprache“. Links: Gastgeber Martin Renz und Regisseurin Franziska Mencz.   Foto:th

Artikel vom: 07.05.2025

Vegesack (th) – „Es ist ein Autorenkreis, der mit Leidenschaft und Herz wirkt.“ Mit viel Verständnis untereinander wäre Großartiges an Texten geschaffen worden, die erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurden, versehen mit einer ausdrucksstarken Dramaturgie, beschrieb Gastgeber Martin Renz, Leiter der Stadtbibliothek Vegesack, das Ergebnis. Zu Recht könne man da von einer Weltpremiere sprechen. „Wir können stolz darauf sein, dass wir im Kleinen etwas geschaffen haben.“

Gleich acht Autorinnen und Autoren hatten sich aus eigener Initiative und Engagement dem gemeinsam gewählten Motto verpflichtet, ihre Texte für den Abend unter dem Motto „Der rote Faden“ einfließen zu lassen. Trotzdem hat der Autorenkreis, der als „Gastgeber Sprache“ bis zum 1. Juni zum Literaturfestival an weiteren Orten in Bremen-Nord einlädt, sich zum Ziel gesetzt, Traditionelles und Unkonventionelles zu vereinen. Im Vorfeld hatte Franziska Mencz, Schauspielerin und Regisseurin aus Bremen, unterstützend zur Seite gestanden und gemeinsam mit der Stadtbibliothek Workshops durchgeführt, um einen Leitfaden zu erstellen.

„Auf die Suche nach dem roten Faden“ begab sich zum Auftakt der Lesungen Maren Schmidt. Ein Familienvater nervt seine Mitmenschen mit Sinnsprüchen, die darin gipfeln: Der Mensch benötigt eine gewisse Planung. Sein Glauben gerät ins Schwanken, wenn er an seine chaotische Tochter denkt. Bei einem Besuch in ihrer Wohnung wird er belehrt: „Das ist mein Dschungelweg, meine roten Fäden, die durch mein Leben führen.“

Zwischen Köln und Bremen führt der Lebensweg, den Rega Kerner eindrucksvoll beschreibt. Er endete häufig an der Kölner Mauer, bei Binnenschiffern bestens bekannt, um dort anlegen zu können. Auch sie hatte über viele Jahre Schiffe gesteuert. „Die Mentalität der Kölner und der Flussverlauf gaben mir Heimat“. Familiäre Umstände zwangen sie, wieder nach Bremen zu gehen, aber wiederzukommen, an ihre Mauer, am Rheinhafen. 2018 wurde es ein letzter Abschied. Die Hafengesellschaft hatte die Poller abgesägt. „Die Wand zieht sich nicht mehr durch mein Leben“.

Mit einer alltäglich anmutenden Geschichte wartet Gerhard Koopmann auf, der bei aller Ernsthaftigkeit die Zuhörer zum Schmunzeln bringt. „Wo ist Maria“ – so seine entscheidende Frage. Er kann sich nur noch an wenig Dinge erinnern und bringt vieles durcheinander. Eine Altersfrage? Ein Blick in sein Tagebuch ist nicht möglich, weil er es nicht finden kann. Immer wieder erscheint ein Mann, er nennt ihn „Vati“ – doch wer ist er nur ? Und da ist noch ein dicker Fleck im Keller des Hauses, das verkauft werden soll. Er wird immer größer...

„Die Liebe ist im Detail“ beschreibt einfühlsam Eva Hütter. Anna deckt geschmackvoll den Kaffeetisch und erwartet zum ersten Mal ihre künftigen Schwiegereltern. Der Mann geht mit ihrem Freund gleich auf die Terrasse, während ihr die Mutter in die Küche folgt und den Fußboden scannt. Sie überspielt vieles, auch dass die Katze an der Sahne schleckt. 

„Manchmal muss man im Leben Entscheidungen fällen“, rückt Jochen Windheuser ein schwieriges Thema in den Mittelpunkt seiner Erzählung, der „Zugteilung“. Es huschen Bilder durch seinen Kopf und er erinnert sich am Hauptbahnhof Hannover an den Moment, als er wählen musste, im vorderen  Zugteil nach Hamburg zu fahren, seiner großen Liebe folgend oder beruflich nach Bremen zu wechseln.

Einen flammenden Appell gegen Krieg richtet Heide Marie Voigt. „‚Maikäfer flieg‘ – das sangen wir als Kinder. Ich bin Kriegskind“, sagt sie. Und stellt die Frage „Was ist Putins nächster Schachzug ?“ „Ein Männlein steht mit einem Bein vor der Tür“, intoniert sie. „Woher kommt der wertvolle Perserteppich?“, erinnert sie sich an den Herbst 1945, als die Familie ausgezehrt und bitterarm das Kriegsende erlebte. Doch jetzt sei sie Großmutter und „kriegstüchtig“. Und das bedeutet für sie, „Nein“ zu sagen.

„Lilli Lotta vermisst ihren Vater“ berichtet Heike Schmit. Befreundete Kinder können mit ihren Vätern spielen, doch ihr Vater ist nie da, auch nicht an Geburtstagen. „Ich vermisse Papa sehr“, gesteht sie ihrer Mutter. „Manche Eltern haben selbst nicht genug Liebe erfahren“, sagt Omi. Herzen sind wie Blumen, Wenn sie nicht genug Licht bekommen, können sie nicht wachsen. „Wir bauen eine Papabox“, schlägt Omi vor. Da kannst Du alles hineinlegen, auch einen selbst verfassten Brief. Und sie wusste fortan, da gibt es viele Menschen, die für sie da waren. „Nanu?“

Wieder mal im Strandkorb sitzt Gabriele Stein. Um sie herum ältere Herrschaften, die Hilfe benötigen. Immer wieder wird sie von Menschen angesprochen. „Der Fortschritt gaukelt uns vor, dass wir alt geworden sind.“ Jetzt möchte sie baden gehen. Steine zwingen sie zur Umkehr. Und plötzlich kommt sie nicht über die Wasserkante hinweg und der Weg zum Strandkorb scheint unüberwindbar. „Kann ich Ihnen helfen?“, meldet sich eine Stimme. 


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