„Die Kette ist furchtbar und sinnfrei“

Trotz 70-prozentiger Erfolgsquote: Vocatio Consulting darf keine Jobcenterkunden coachen

Artikel vom: 08.09.2024

Bremen-Nord (RDR) – Annedore Kauffmann und Christiane Smidt sind mit der 2022 gegründeten Vocatio Consulting GmbH Mitglied im Wirtschafts- und Strukturrats (WIR) Bremen-Nord. Beide schätzen das gute Netzwerk, das ihnen dadurch zur Verfügung steht. Und das war wohl auch einer der Gründe, warum sie einen „Brandbrief“ an den WIR abgesetzt haben. Die beiden Frauen coachen unter anderem Arbeitssuchende und helfen diesen auf den Weg zurück in den Job.

Seitdem zur Jahresmitte bekannt wurde, dass das Jobcenter Bremen fast sein ganzes Budget für 2024 schon ausgegeben hat, sind auch viele Kunden der Vocatio Consulting GmbH davon betroffen. Denn diese erhalten nun keine Vermittlungs- oder Weiterbildungsgutscheine mehr, die sie für das Coaching einsetzen könnten. Für Christiane Smidt eine Katastrophe – und zwar nicht aus persönlicher Sicht, denn die studierte Diplom-Betriebswirtin, Heilpraktikerin für Psychotherapie, Master Business Coach, Mediatorin und Dozentin in der Erwachsenenbildung hat mehrere berufliche Standbeine. „Es trifft die Schwächsten der Schwachen“, beklagt die Selbstständige.

Dabei biete man viel mehr als reines Bewerbungstraining und gehe individuell auf die Teilnehmer ein. Sie und Annedore Kauffmann hätten bis zur Haushaltssperre des Jobcenters sieben freiberufliche Dozenten beschäftigt. Von denen habe man sich wegen fehlender Aufträge nun trennen müssen.  „Wir können eine Integrationsquote von 70 Prozent  nachweisen“, schreiben die Frauen an den WIR. Das seien sieben von zehn Menschen, die nach einem Coaching nicht mehr arbeitsuchend sind – die anderen seien in der Regel auf ihrem Weg zum Arbeitsmarkt einen wichtigen Schritt weiter. „Wir sind Ressource für diejenigen, die keinen Ressourcen haben“, sagt Christiane Schmidt und spricht von etwas ganz „Ungeheurlichem“, was gerade passiere.

Dass gespart werden müsse, sei ihr klar. „Aber doch nicht bei den Schwachen und Kleinen!“ Sie erwarte Transparenz. „Was ist passiert?! Es reicht doch nicht aus, einfach zu sagen ‚wir haben im ersten Halbjahr alles ausgegeben!‘“ Ein massiver Einschnitt sei das für die Arbeitssuchenden, so der Coach. „Wir sind wirklich erschüttert, denn diese Arbeit, die wir hier mit Herzblut machen, ist nicht nur Broterwerb, sondern auch zutiefst sinnvoll und sowohl gesellschaftlich – soziale Teilhabe, Gesundheitsprävention und die Senkung der Kriminalitätsrate – als auch wirtschaftlich – Fachkräftemangel und Verminderung der Bürgergeldverpflichtungen –wichtig“, bekräftigen die Unternehmen in ihrem Schreiben.

„Natürlich bedürfen auch die Träger der nicht mehr nachgefragten Maßnahmen der Unterstützung, denn hier droht wiederum Arbeitslosigkeit für die Festangestellten – die vielen Honorarkräfte, die keine Alternativaufträge in Kürze beschaffen können, sind dann wiederum die nächsten Kandidaten für das Bürgergeld. Die Kette ist einfach furchtbar, und alles ist so absolut sinnfrei.“


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