„Niemand wird als Mobber geboren“

Ursula Pickener hat schon mehrfach einen Täter-Opfer-Wechsel erlebt

Wenn jemand gemobbt wird, kann das schwere psychische Folgen haben. Ursula Pickener hat ihre Erfahrungen zu dem Thema in dem        Kriminalroman „Utopia war gestern“ verarbeitet. SYMBOLFOTO: FR

Artikel vom: 03.11.2021

Bremen-Nord – (RDR) Mobbing an Schulen ist kein seltenes Phänomen. „Viele Menschen sind nicht in der Lage, Konflikte konstruktiv anzugehen“, sagt Ursula Pickener, die als Lehrerin, Mediatorin und Beraterin am Schulzentrum an der Alwin-Lonke-Straße in Grambke arbeitet. „Es wird niemand als Mobber geboren“, so die Fachfrau, die zwischen direktem und Cyber-Mobbing unterscheidet. Schülerinnen und Schüler würden zum Beispiel beleidigt oder aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Ursula Pickener hat ihre Erfahrungen in ihrem ersten Kriminalroman „Utopia war gestern“ (Fehnlandverlag, ISBN 9783947220465, zwölf Euro) verarbeitet – und zwar so, dass sich niemand selbst wieder erkennen kann. In dem Buch traut sich Jana nicht, von der Schule aus nach Hause zu gehen, weil sie auf dem Heimweg abgefangen und angegriffen wird. Die Autorin habe es im realen Leben erlebt, dass ein Jugendlicher in den Selbstmord getrieben wurde. Es habe sich herausgestellt, dass er gemobbt worden war. Mobbing könne auch so aussehen, dass sich vermeintliche Freunde später als das Gegenteil entpuppten. „Es gibt keine Schule, wo es nicht solche Vorkommnisse gibt“, sagt Ursula Pickener. Schätzungen zur Folge seien zehn bis 25 Prozent der Schüler betroffen. Häufig werde das in den Schulen verniedlicht. „Dann heißt es: ‚Das ist doch nicht so schlimm, wehr‘ dich doch!‘“ Es müsste eine Unterstützungssystematik an Bildungseinrichtungen geben, findet Ursula Pickener. Doch viele Lehrkräfte wären überfordert und überlastet. Oftmals würden spezielle Typen als Opfer auserkoren, berichtet die Expertin, die das Wort „Opfer“ nicht mag. Es seien vielfach Schülerinnen und Schüler, die „anders“ seien. Etwa weil sie Unter- oder Übergewicht, Pickel oder einen Sprachfehler hätten. Es gebe Betroffene, die das befeuern würden – etwa durch einen extremen Rückzug oder durch Gegenaggression. Ursula Pickener hat schon mehrfach einen Täter-Opfer-Wechsel erlebt. Menschen, die selbst gemobbt wurden, suchten sich Personen, mit denen gemeinsam sie das wiederum anderen antun können. „Man müsste denken, gerade dann ist Empathie da, aber nein!“, sagt Ursula Pickener und zieht den Vergleich mit Missbrauchsopfern, die später zu Tätern werden. Sie würde sich wünschen, dass Betroffene in der Schule jemanden finden, der sie unterstützt und ernst nimmt, so die Pädagogin. Allerdings würden Raum und Ressourcen fehlen. Die Problematik ließe sich nicht mal eben auf dem Flur besprechen, so die Expertin, die darauf verweist, dass es Erkenntnisse darüber gebe, dass Amokläufer zuvor häufig Mobbingopfer waren. „Es gibt an den Schulen Anweisungen, wie man sich in einem solchen Fall verhalten soll, aber keine Überlegungen, wie man Prävention betreiben könnte“, erklärt Ursula Pickener. Auch in der Familie sollten Eltern und Geschwister immer ein offenes Ohr haben. Viele gemobbte Jugendliche würde sich allerdings den Eltern nicht anvertrauen, aus Angst, diese würden über ihren Kopf hinweg zu den Mobbern gehen und diese bedrohen. Das würde die Situation in der Regel eher verschlimmern, weiß Ursula Pickener.


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