Geschichte als Folie zum Nachdenken
Dr. Christel Trouvé erklärt hier die vertiefenden digitalen Themeninseln, die ab heute zur Ausstellung gehören. Fotos: nik
Artikel vom: 09.11.2025
Farge (nik) – Von 1943 bis 1945 mussten kriegsgefangene Zwangsarbeiter unter unmenschlichen Bedingungen im Norden von Bremen den größten singulären Betonklotz in Deutschland errichten. Im dritten Kriegsjahr war für das Nazi-Regime ein Kippmoment erreicht, ab dem es sich an allen Fronten in der Defensive verband. Die schieren Mengen an Beton, die beim Bunkerbau verarbeitet wurden, können heute noch mahnend daran erinnern, was für eine Form von Wahn damals um sich griff. Man verfolgte das Ziel, in Farge unter sieben Metern Betondecke wöchentlich drei U-Boote fertigzustellen und hoffte auf eine Wende im Kriegsverlauf.
Zehntausende Zwangsarbeiter wurden an dieser Baustelle versklavt, was viele von ihnen nicht überlebten. Nach dem Krieg stellte sich bei verschiedenen Bombentests der Alliierten heraus, dass dieses Ungetüm zu massiv war, um es überhaupt abreißen zu können. Über Zwangsarbeit wurde danach jahrzehntelang kaum gesprochen, erst seit 1983 gibt es dort ein Mahnmal. Seit Beginn der 2010er-Jahre wurde dann das Konzept erarbeitet, aus dem Bunker Valentin einen Denkort zu entwickeln, an dem das Schicksal der Zwangsarbeiter im Vordergrund steht. Die Eröffnung im November 2015 jährt sich nun zum zehnten Mal, und am heutigen 9. November werden die neuesten Ausstellungselemente der Öffentlichkeit vorgestellt. An sechs interaktiven Themeninseln werden die Besucher sich vertiefend mit Kriegsproduktion und Zwangsarbeit, dem damaligen Mythos um die U-Boote, der Bunkerarchitektur und den zahlreichen Gefangenenlagern in der Umgebung befassen können. Ein digitales Gedenkbuch soll als fortlaufend erweitertes Projekt die Schicksale der einzelnen Menschen sichtbar machen.
„Unser Ziel, unser Streben ist, mit dem digitalen Gedenkbuch Namen aus der Unwissenheit hervorzuholen“ sagt die wissenschaftliche Leiterin Dr. Christel Trouvé. Sie konnte in den vergangenen zehn Jahren Nachfahren von Zwangsarbeitern aus aller Welt empfangen, die mit Originaldokumenten wie Fotos und Postkarten dazu beigetragen haben, immer mehr Wissenslücken zu schließen. Der Denkort sei damit auch ein wichtiger Bezugsort für die Nachfahren geworden, ein Ort, an dem diese Geschichten gesammelt werden können. Das Archiv ist auch dank der internationalen Zusammenarbeit mit anderen Institutionen gewachsen, die ihrerseits das Geschehen in den Kriegsjahren erforschen.
Als außerschulischer Lernort macht der Bunker Geschichte für Jugendliche erfahrbar. Dabei habe sich herausgestellt, dass anderthalb Stunden bei Weitem nicht ausreichen, sich allein mit den 25 Stationen des Rundwegs wirklich auseinanderzusetzen. So wurden drei- bis fünfstündige Seminare erarbeitet, in denen Schulklassen und Gruppen ihr geschichtliches Wissen vertiefen können.
Heute Abend, von 18 bis 20 Uhr, wird eine Beleuchtungsinstallation mit dem Titel „(Aus dem) Schatten“ an der Südseite des Bunkers zu sehen sein, die der Bremer Künstler Lennart Jäger in Zusammenarbeit mit Jens Genehr, Autor der Graphic Novel „Valentin“ entwickelt hat. Die Arbeiten sollen Lichtkunst und digitale Zeichnung mit dem historischen Ort zu einem temporären Gesamtkunstwerk verbinden. Die Künstler werden während der Projektion für Gespräche zur Verfügung stehen.
Weitere interessante Artikel








