Transformation des Stahlwerks
ArcelorMittal-Geschäftsführer Michael Hehemann erläuterte den Pfad zur Dekarbonisierung. Foto: NIK
Artikel vom: 15.04.2024
Oslebshausen (NIK) – Der neue Regionalausschuss „Bremer Industrie-Park“ der Beiräte Burglesum und Gröpelingen hat sich in der vergangenen Woche konstituiert. Unter dem Vorsitz von Burglesums Ortsamtsleiter Florian Boehlke wurde zunächst Martin Reinekehr (SPD) zum Sprecher und Martin Hornhues (CDU) in Abwesenheit zum Stellvertreter gewählt.
Wichtigster Punkt der Tagesordnung war eine Vorstellung der Vertreter von ArcelorMittal über die geplante Transformation des Stahlwerks. Der Geschäftsführer Michael Hehemann stellte das Konzept vor und beantwortete Fragen der Beiräte und Anwohner.
Das Stahlwerk selbst habe 3100 Beschäftigte, davon 200 Auszubildende. Darüber hinaus sind etwa 400 Mitarbeiter in Tochterfirmen tätig. Pro Jahr werden 3,4 Millionen Tonnen Stahl produziert. Mit weniger als einem Unfall pro Million Arbeitsstunden gehöre man zu den sichersten Herstellern. Die Fläche des Werks erstreckt sich über sieben Quadratkilometer und bildet ihr eigenes Ökosystem.
Auf der sogenannten Hochofen-Konverter-Route wird der Stahl aus den Hochöfen in Brammen gegossen und dann in Warmwalzwerk und Kaltwalzwerk veredelt. Dazu ist gegenwärtig ein starker Kokskohleeinsatz notwendig, bei dem die freiwerdenden Gase verstromt werden können.
Momentan arbeite man daher mit 70 Prozent Eigenenergie, bei der projektierten Lichtbogen-Technologie falle dieser auf null, sodass die gesamte Energie dann von außen kommen müsse.
Im Elektro-Lichtbogenofen EAF (Electric Arc Furnace) sollen DRI (Direct Reduced Iron, Pellets aus Eisenschwamm) sowie Schrottverwertung die Rohstoffgrundlage bilden.
Geplant ist, zuerst den Hochofen 3 durch ein 160m hohes Aggregat zu ersetzen. In dieser ersten Phase soll der CO2-Ausstoß um 38 Prozent reduziert werden. Anfang des nächsten Jahrzehnts soll dann nach der Ablösung des Hochofens 2 eine Reduktion um 92 Prozent erreicht werden.
Als Übergangstechnologie werde die Direktreduktion mit dem Energieträger Erdgas erfolgen. Es sei elementar, dass für Wasserstoff wettbewerbsfähige Preise erreicht werden. Die Summe des Energiebedarfs bleibe dabei gleich.
Beim Erdgas habe man dann den anderthalbfachen Bedarf des gesamten Bundeslands Bremen. Auf ArcelorMittal entfallen derzeit 50 Prozent des CO2-Ausstoßs in Bremen. Positiv gesehen bedeute das: Wenn die Transformation gelinge, könne der Ausstoß damit also um die Hälfte reduziert werden. Alle Stahlhersteller verfolgen dabei letztlich dieselbe Strategie. Die Genehmigung der staatlichen Förderung sei daher ein Meilenstein gewesen. „Wir sind voll überzeugt davon, das hier so zu machen, dass es der richtige Weg ist“ bekräftigte Michael Hehemann.
Ohne die Unterstützung der Belegschaft sei ein solcher Prozess aber unmöglich. Damit übergab er das Wort an den Betriebsratsvorsitzenden Mike Böhlken. Dieser bezifferte die Arbeitsplätze, die in und um Bremen mittelbar vom Stahlwerk abhängen, auf 19000. Der Aufsichtsrat wolle den Prozess so transparent wie möglich gestalten.
Der soziale Aspekt müsse Berücksichtigung finden: Mitarbeiter, die teilweise 30 Jahre am Hochofen gearbeitet hätten, brauchten eine Perspektive der Qualifizierung und Umschulung. Auch Chancen für Mitarbeiter ohne abgeschlossene Ausbildung müssten geschaffen werden. Dieser Aufgabe begegne man mit Respekt.
Bisher gehören zu den Ausbildungsberufen am Standort Elektroniker, Mechatroniker, Industriemechaniker, Werkstoffprüfer sowie die dualen Studiengänge Informatik, Automatisierung, Mechatronik und Elektrotechnik. Neu hinzukommen könnten Verfahrenstechnologen und IT-Systemelektroniker. Als Ausbildungsbetrieb sei ArcelorMittal wiederholt ausgezeichnet worden, auch aktuell biete man noch viele freie Ausbildungsplätze.
Wenn Sinteranlage und Öfen wegfallen, werde Fläche frei. Man befinde sich bereits in intensivem Austausch mit den Naturschutzorganisationen BUND und NABU über mehrere vorhandenen Biotope auf dem Gelände, sagte Unternehmenssprecherin Marion Müller-Achterberg.
Auf die Fragen von Arndt Overbeck und Dieter Winge aus dem Beirat Gröpelingen nach der Lärmbelastung erklärte Michael Hehemann, das neue Verfahren bringe auch einen neuen Standard bei der Einhausung der Anlagen, wodurch weniger Lärm und auch weniger Staub zu erwarten seien.
Dieter Winge zufolge sei der beim Schrottumschlag entstehende Lärm nicht Teil des Gutachtens. Das Weserport-Terminal 1 sei nicht einmal 800 Meter von der Wohnanlage Wohlers Eichen entfernt.
Ein Vertreter der Bürgerinitiative Oslebshausen erzielte mit der eindringlichen Bitte, zur Entlastung des Stadtteils für den Schrottumschlag das Weserport-Terminal 3 einzuplanen, großen Applaus aus dem Publikum. Es wurde dann auch gefragt, um welche Uhrzeiten die Aktivitäten zu erwarten seien. Michael Hehemann zeigte Verständnis, konnte sich aber nicht darauf festlegen, dass dies nicht zu Nachtzeiten geschehen würde.
Dieter Winge fragte zudem nach dem Zugverkehr. Der Streckenabschnitt 1422 sei eingleisig und mit der geplanten Bahnwerkstatt zu teilen. Bei 8500 Zügen im Jahr könne das Konkurrenzen nach sich ziehen.
Hanspeter Halle vom Gröpelinger Beirat fragte nach der Stromversorgungstrasse und auf welchem Wege der Wasserstoff angeliefert werden solle. Dazu sagte Michael Hehemann, Wasserstofftransporte per Schiff böten ein viel zu geringes Volumen, es gebe Pläne für Pipelines, die bis nach Eemshaven in den Niederlanden führen.
Niels Heide aus dem Beirat Burglesum erkundigte sich nach der Gesamtsumme der Arbeitsplätze nach der Transformation. Hehemann sagte, eine digitalisierte Produktionsroute werde auch anders gesteuert. Die Arbeitnehmerseite sei da aber „klar sortiert“ und solle auch über den gesamten Prozess eingebunden werden. Man wolle sich der Debatte stellen und vor allem ein guter Nachbar sein. So nutzte er den Anlass, Anwohner und an der Stahlproduktion Interessierte zum „Hüttenfest“ am 7. September auf das Betriebsgelände einzuladen.
Im Anschluss folgte ein Sachstandsbericht von Vertreterinnen des Wirtschaftsressorts und der Wirtschaftsförderung.
Simone Geßner, Referatsleiterin Gewerbeflächen nannte die Dekarbonisierung des Stahlwerks einen „tollen Gewinn“ weil Infrastrukturen geschaffen würden, die in vielerlei Hinsicht in Zukunft benötigt werden. Seit der vergangenen Woche habe die Behördenbeteiligung begonnen und laufe bis 10. Mai. Im sechsten Bauabschnitt werde ein Potential von 64 Hektar Fläche erschlossen, davon entfallen voraussichtlich 33 Hektar auf den benötigten Energieknoten mit dem Umspannwerk.
Sie informierte die Beiratsmitglieder auch darüber, dass Wohncontainer für 3500 Menschen, die Transformation bei ArcelorMittal bewerkstelligen sollen, im Gewerbegebiet Aufstellung finden sollen. Im Ausschuss war man froh, darüber rechtzeitig in Kenntnis gesetzt zu werden.
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