„Wir sind sehr traurig“

Der Bedarf an Sprachförderung sei groß. Mehr als 500 000 Kinder und ihre Familien profitieren vom Bundesprogramm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“. SYMBOLFOTO: FR
Artikel vom: 17.08.2022
Region – (NAD) Seit 2011 fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) die sprachliche Bildung in der Kindertagesbetreuung. Zuerst im Programm „Schwerpunkt – Kitas, Sprache & Integration“, seit 2016 im Programm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“, das sich vor allem an die Einrichtungen richtet, die einen besonders hohen Anteil von Kindern mit sprachlichem Förderbedarf haben. Jede Sprach-Kita erhält eine zusätzliche Fachkraft. Bundesweit ist jede achte Einrichtung eine Sprach-Kita und mehr als 500 000 Kinder und ihre Familien profitieren davon, heißt es auf der Seite des BMFSFJ. Darunter sind auch Kindertagesstätten in Bremen-Nord und dem Landkreis Osterholz. Doch damit könnte es vorbei sein. Die Bundesregierung kündigte kürzlich an, das Förderprogramm zum Ende des Jahres auslaufen zu lassen.
„Dieses ist gerade nicht im Sinne einer individuellen frühkindlichen Bildung und Sprachförderung, die den Anspruch hat, jedes Kind zu fördern“, findet der CDU-Landtagsabgeordnete Axel Miesner. „Ein erfolgreiches Sprachförderprogramm für unsere Kleinsten einfach so zu streichen, ist das völlig falsche Signal. Gerade in der heutigen Zeit, in der Flüchtlingskinder in unseren Kindertagesstätten Aufnahme finden, ist ein solches Programm enorm wichtig.“
„Wir sind sehr traurig, dass das Bundesprojekt ,Sprach-Kita‘ ausläuft“, sagt Nicole Gugliotta, Leiterin der Ritterhuder Kindertagesstätte Lehmbarg der Lebenshilfe Osterholz. „Für uns bedeutet es vor allem, dass wir keine zusätzliche Sprachfachkraft mehr bekommen können. Dies ist ein großer Verlust für die Qualität.“ Allerdings hatte die Einrichtung in den vergangenen drei bis vier Jahren keine zusätzliche Kraft mehr gefunden. „Wir hätten dies jedoch sehr gerne wieder eingestellt.“ Der Bedarf an Sprachförderung sei groß und in den großen Regelgruppen mit bis zu 23 beziehungsweise 25 Kindern ohne zusätzliche Kräfte nicht leistbar.
Die zusätzlichen Gelder durch die Förderung wurden zudem für die Internetnutzung und die Digitalisierung genutzt. „Die Digitalisierung ist voll im Gange und nicht abgeschlossen und über weitere Zuschüsse hierfür hätten wir uns gefreut.“ Das Jahresbudget sei doch auch immer begrenzt, findet die Leiterin der Ritterhuder Kindertagesstätte Lehmbarg. Außerdem müsste der Buchfundus erneuert und ergänzt werden. Das könne man teilweise noch mit den Zuschüsse tun.
Nicole Gugliotta war auch immer vom Austausch mit den anderen Kitas begeistert. Diese seien sehr hilfreich gewesen. Da sie allerdings keine Sprachkraft hatten und ihr es terminlich nicht immer möglich war, konnte sie nicht in dem Ausmaß teilnehmen, den sie gerne wollte. „Das Austauschportal habe ich zeitbedingt wenig genutzt, finde es aber ein sehr gutes Medium. Ich hatte mich dieses Jahr auf Austausch und Aktionen gefreut“, berichtet sie. Zudem stellt sie sich die Frage, ob man weiterhin eine Sprach-Kita bleibe oder die Definition mit dem Projekt auslaufe.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Klingbeil zeigt Verständnis für die Sorgen, wie das Programm fortgesetzt werde: „Ich kann die Kritik der Kindertagesstätten über die Unsicherheiten bei der Sprachförderung in Kitas verstehen. Wichtig ist für mich die Sicherheit, dass das Programm in voller Qualität weitergeführt werden kann. Dazu werde ich in Berlin mit den Fachpolitikerinnen und -politikern meiner Fraktion das Gespräch suchen.“
Nach derzeitigen Plänen des Bundesministeriums soll die Verantwortung der Sprachförderung an die Länder übergeben werden.
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