„Vandalismus“ im Overbeck-Museum
Finn Völkel verunstaltete das Werk von Ulrike Brockmann mit blauer Farbe. Foto:NIK
Artikel vom: 13.05.2024
Vegesack (NIK) – Große öffentliche Aufmerksamkeit konnten in den vergangenen Jahren verschiedene Aktivisten erreichen, indem sie bekannte Kunstwerke von Vincent van Gogh, Gustav Klimt oder Andy Warhol mit Farbe, Öl, Klebstoff, Kartoffelpüree oder Ähnlichem angriffen. In bisher allen Fällen wählten die Aktivisten dabei Werke aus, die sich hinter Glas befanden und somit keinen Schaden nahmen. Dennoch gehen die Meinungen über solche Methoden des Protests weit auseinander.
Das war für den Volontär des Overbeck-Museums, Finn Völkel, und Kuratorin Dr. Katja Pourshirazi Anlass, begleitend zur aktuellen Ausstellung „Tatort Natur“ zu einem offenen Austausch über solche Protestformen einzuladen. Finn Völkel schockierte die Anwesenden: Er stellte ein Werk von Ulrike Brockmann aus der Serie: „Die Overbecks neu sortiert“ vor und fragte, wer sich denn trauen würde, das Bild mit Farbe zu verunstalten.
Als sich niemand bereitfand, tat er das dann einfach selbst. Die Gefühle, die eine solche Aktion auslösen kann, wurden damit unmittelbar nachvollziehbar. Auch Katja Pourshirazi leugnete nicht, dass es ein Schockmoment für sie war. Sie erklärte dann aber, dass das Werk schon bei der Anlieferung beschädigt worden war. Daher war das Overbeck-Museum verpflichtet, das Bild sozusagen zu „entwerten“. Bei ihren Aktionen gingen die Aktivisten wohlüberlegt vor, wie Finn Völkel anhand verschiedener Beispiele verdeutlichte. So wurde etwa ein idyllisches Landschaftsgemälde mit einer verfremdeten Version seiner selbst beklebt, die verdorrte Bäume und Asphaltflächen zeigte. Eine mitgefilmte Protestaktion fand als „Performance Art“ selbst Eingang in eine Liste bedeutender Kunstwerke.
Nur zwei Tage vor dem Museumsgespräch hatte eine weitere Aktion für Aufsehen gesorgt: Aktivistinnen der MeToo-Bewegung hatten ihren Slogan über das kontroverse Gemälde „Der Ursprung der Welt“ von Gustave Courbet gesprüht. Finn Völkel hob die multiplen Bedeutungsebenen hervor, die mit diesem Werk und der Aktion eröffnet werden. Das Bild sei für sich schon so konfliktbeladen, dass es in der Berichterstattung über den Vorfall nirgends reproduziert werde.
Katja Pourshirazi machte auf Parallelen zu den „Bilderstürmern“ vergangener Jahrhunderte aufmerksam. In der Runde war man sich weitgehend einig, dass in solchen Aktionen eine gewisse Verzweiflung zum Ausdruck komme. Viele Protestformen in den vergangenen Jahren hätten sich als „ziemlich wirkungslos“ herausgestellt. „Diese Aktivisten leisten etwas ganz Wichtiges“ war eine Teilnehmerin überzeugt.
Der Schaden, der durch solche Aktionen entstehe, werde auch fragwürdig berechnet: So würden etwa Einnahmeverluste aus mehrtägigen Schließzeiten in der Bezifferung des entstandenen Schadens mit aufgeführt. Auch der oft sensationsheischende Umgang der Medien mit den Aktionen wurde kritisiert. Es sei aber zu bedenken, dass es um öffentliche Aufmerksamkeit gehe, bei der solche Reaktionen auch einkalkuliert werden. Eine Teilnehmerin fand, es falle schon auf, dass die größte Empörung meist bei Leuten ausbreche, die sonst wenig bis kein Kunstinteresse zeigten.
Katja Pourshirazi sagte, schon das Miteinander Reden, der Austausch könne als entlastende Handlung aufgefasst werden, die dabei helfen kann, angesichts größter globaler Herausforderungen und ungelöster Menschheitsprobleme nicht in Angststarre zu verfallen. In diesem Sinne soll die Veranstaltung auch den Auftakt zu einer Gesprächsreihe „Gemeinsam Nachdenken im Museum“ bilden.
Weitere interessante Artikel