Schreibende Binnenschifferin

Alleinerziehende Rega Kerner führt ein Leben zwischen Wasser, Filmen und Autorendasein

Rega Kerner an Bord von Noortje im Vegesacker Museumshaven. Das Boot feiert im Jahr 2028 den 100. Geburtstag.Foto: rdr

Artikel vom: 26.01.2025

Vegesack (rdr) – Rega Kerner ist ein Tausendsassa. Als Tochter eines Seemanns aufgewachsen, wurde sie durch das Virus Wasser schon früh infiziert. Kurz bevor sie zur Schule kam, nutzte der Papa die Gelegenheit und nahm sie mit auf eine große Reise über den großen Teich nach Amerika. Doch das war es gar nicht, was die kleine und später größere Rega faszinierte. 

Als der Vater an Land als Sachverständiger arbeitete und seine Tochter als Jugendliche mitnahm zur Begutachtung eines Binnenschiffes, war es um Rega Kerner geschehen. Das Wasserfahrzeug war, wie damals üblich, ausgestattet mit einer eigenen Wohnung. „Das fand ich total cool“, erinnert sie sich. „Bücherschreibende Binnenschifferin“ habe sie werden wollen, so Rega Kerner. Und das, obwohl der Vater seinem Kind riet, „etwas Richtiges“ zu machen. „Aber ich wollte auf Flüssen immer weiter fahren und hatte zugleich den Traum, Bücher zu schreiben“, sagt die Bremerin. Quer durch Deutschland sei sie gereist, um sich als Schiffsjunge persönlich zu bewerben – beziehungsweise als Schiffsmädchen. Und so erntete sie manchen dummen Spruch und wurde abgelehnt mit der Begründung, als Frau habe sie ein Anrecht auf eine eigenen Toilette und die könne man ihr nicht bieten. Rega Kerner begann sich umzuorientieren und landete im Bereich der Medien. Sie arbeitete an freien Videoprojekten für Jugendliche mit oder beteiligte sich an Musicals. Um weiterzukommen und weil Bremen eben nicht unbedingt eine Medienhochburg ist, zog es sie nach Köln. Dort absolvierte sie dann eine Fortbildung zur Multimediaentwicklerin und arbeitete an Filmproduktionen mit. In dieser Zeit schaute sie sich öfter nach Wohnschiffen um; fing aber auch an, Bücher mit maritimem Inhalt zu schreiben. „Ich wollte ja immer wieder aufs Wasser zurück“, sagt sie. Irgendwann entdeckte sie an einer Fährstelle das Wohnboot „Silberne Welt“, und lernte den zugehörigen Fährmann, der zugleich Vermieter war, kennen. 

„Ich habe mich gleich in die ‚Silberne Welt‘ verliebt“, erinnert sich Rega Kerner schmunzelnd. Das Schaukeln des Boots auf den Wellen sei wie ein Rufen nach ihr gewesen. Sie habe fast ihren kompletten Haushalt aufgegeben, um auf das Hausboot zu ziehen und das Gefühl gehabt, angekommen zu sein.

„Das habe ich öfter geglaubt“, sagt Rega Kerner. Doch irgendwann hatte der Fährmann, ihr Vermieter, eine neue Freundin. Und damit habe ein regelrechtes Eifersuchtsdrama begonnen, erinnert sich die Bremerin. Sie sei dann in einer Nacht- und Nebelaktion überstürzt geflohen und in Neuwied in die Wohnung eines Bekannten eingezogen.

Dort arbeitete sie dann ein Jahr lang in der Fahrgastschifffahrt als Matrosin, bis sie einen holländischen Binnenschiffer, den späteren Vater ihrer Tochter, kennen- und lieben lernte. Zehn Jahre fuhr das Paar gemeinsam Rhein und Mosel rauf und runter – zeitweise zusammen mit einem Mini-Schwein, das beide vorm Schlachter gerettet hatten. Und rauf und runter ging es auch in Beziehungsdingen.

In dieser turbulenten Zeit kaufte sich Rega Kerner das Noortje, das aktuell im Vegesacker Museumshaven liegt. Für sie immer mal wieder ein Rückzugsort, und Noortje sollte auch nach der Trennung vom Partner das neue Zuhause für sie und ihre Tochter werden. Doch da spielte der Ex nicht mit und drohte mit dem Jugendamt. Rega Kerner fackelte nicht lange und packte mit ihrer damals zweijährigen Tochter die Sachen und kehrte nach Bremen zurück. Auch diese „wilde“ Erfahrung verabeitete die Autorin mit Humor in einem ihrer Bücher. Das Noortje holte sie einige Zeit später nach, und seit gut zehn Jahren ist der Museumshaven die Heimat des Bootes.

Dort verbringt Rega Kerner viel Zeit an Bord – beispielsweise, um zu schreiben. Ob sie irgendwann einmal auf  Noortje wohnen wird, das weiß sie noch nicht. Im Mittelpunkt stehe derzeit ihre Tochter. „Und ich habe Noortje doch und schreibe Bücher – mehr brauche ich eigentlich nicht“, sagt Rega Kerner, die aktuell überwiegend als freie Autorin tätig ist und Multimediaprojekte betreut. 

Was ihre Zukunft bringt, das ist offen. „Ich möchte mobil bleiben, mein Boot erhalten und vom Schreiben leben können.“ Ihre Pläne hat sie allerdings schon oft umgeworfen. „Ich dachte jedes Mal – als Fährfrau, als Binnenschifferin oder als Autorin – das ist es. Aber das Leben hat halt gesagt, so geht es doch nicht weiter.“ Sieben gedruckte Bücher hat Rega Kerner bislang herausgebracht. „Es sind immer Humor und Wasser enthalten, und dann wird es bunt“, sagt sie. Näheres unter www.medienschiff.de


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