„Ich bleibe Lernende in der Begegnung“
Heide Marie Voigt beeindruckt mit ihrer Vielseitigkeit. Foto: AS
Artikel vom: 21.05.2023
Bremen-Nord – (AS) Heide Marie Voigt: „Alte Dame über 50 im spätidealistischen Stadium“ hat die „freischaffende Rentnerin“ als „Berufsbezeichnung“ in ihrem E-Mail-Absender abgelöst. Doch sie ist viel mehr als das: Schreibende, Malende, Ausstellende, Galeristin, Tanzende, nach einem üblen Erlebnis vor über 75 Jahren auch wieder Singende, Reisende, ehemalige Lehrerin und aktiv Lehrende, Mitglied der SPD, Moderatorin, Performancerin, Engagierte– ein kluger Nordbremer kulturschaffender Kopf.
Vor kurzem präsentierte sie ihre Werke auf der Leipziger Buchmesse am eigenen Stand.
2019 war sie in Asien, worüber sie in Wort und Bild berichtete: „Eile und Weile – Reise in das China der Neuen Seidenstraße – ins Innere Ausland“. An „Zwiesprache Lyrik“ und dem Nordbremer Literaturfestival „Gastgeber Sprache“ war sie maßgeblich beteiligt; auch in diesem Jahr wieder mit eigener Lesung.
Ihr Wohnraum dient ihr als „Zimmergalerie*Nordstern“, acht Ausstellungen sind für dieses Jahr geplant, vier mit eigenen, die anderen mit den Werken anderer Künstler. Noch bis zum 15. Juni sind Aquarelle und Illustrationen von Werner und Ulrich Hütter unter dem Titel „déjà-vu“ zu sehen. Ausgestellt hat sie selbst beispielsweise 2022 im Rathaus Lemwerder und im Overbeck-Museum. Ihre „Zimmergalerie“ hat Tradition: Von 1989 bis 2014 leitete sie bereits eine – für Frauen – in Kattenturm. Darüber habe sie Tagebuch geführt, und: „Das hat mich sehr selbstbewusst gemacht.“ Als Galeristin sei sie zur Lehrerin geworden; der Austausch von Lernenden und Gebenden sei ihr jedoch wichtig, denn: „Ich bleibe Lernende in der Begegnung“.
Dabei war Heide Marie Voigts „Brotberuf“ Lehrerin. Auch hier habe sie „Impulse gegeben ins Kreative“: Tanz unterrichtet oder die Kinder Gedichte schreiben lassen. Im Rückblick sagt sie: „Ich war eine schwierige Lehrerin“. Sie hat da hingeschaut, wo andere wegguckten. Das habe sie unbeliebt gemacht. Selbstbewusst aufzutreten, habe sie lernen müssen: „Man ist immer so artig. Das löst Aggressionen aus.“ „Richtig gelernt“, Lehrerin zu sein, habe sie von 1984 bis 1986 in einer Hauptschule. „Die Schüler haben zum Schluss ‚Muddern Voigt‘ zu mir gesagt. Ich war zugewandt. Das hat mich zu einer schwierigen Kollegin gemacht.“
Geboren wurde Heide Marie Voigt 1942 in Dresden. Den Luftangriff habe sie nicht direkt miterlebt, aber: „Die Kinder bekommen die Angst der Eltern mit.“ Doch darüber sei nicht gesprochen worden: „Das war üblich.“ Wie bei vielem anderen auch, Missbrauch beispielsweise. Über beides berichtet sie in ihrem aktuellen Buch „Marias Geschichte“. Einen intensiven Blick hat sie für die Opfer und die Wiederherstellung ihrer Würde. In der Öffentlichkeit werde Belastendes nicht zur Kenntnis genommen, die Betroffenen nicht gesehen. Dabei sei das eine Chance zur Heilung, sagt sie. Jedoch spreche sie nur für ihre Geschichte. „Ich habe die psyschische Arbeit nicht gemacht, um sie unter den Teppich zu kehren!“
Ab dem 6. September will sie wieder einen Tanzkurs anbieten, „gern mehr beim Beirat Vegesack gucken“ und sich, nun nach der Wahl, für mehr Meinungsfreiheit engagieren. In diesen Tagen erscheint ihr neues Buch: „Würde – Kirschen essen mit dem Zeitgeist“.
Ihr Wunsch für die Zukunft: „Entspannt das Leben zu betrachten.“ Das Buch, das aktuell bei Heide Marie Voigt auf dem Nachttisch liegt ist „Kindheitsmuster“ von Christa Wolf. Musikalisch ist sie von dem estnischen Komponisten Arvo Pärt begeistert. Die Frage: „Ist Kochen wie Malen?“ bejaht sie; „Es ist beides kreativ.“ Wenn sie unterwegs ist, hat sie immer Wasser dabei. Ihr Lebensmotto: Dinge zur Sprache bringen. Ihr Rat an junge Menschen: „Schreiben. Eigene Bilder machen.“ Hohe Achtung habe sie vor den Aktivitäten des Vereins MTV Nautilus: „Hier sammeln sich Menschen, die sich für den Stadtteil engagieren wollen.“
Auf ihrer Homepage findet sich folgendes Zitat: „Alt werden in dieser Welt mit leuchtenden Augen die Mühe lohnt sich.“ Ihre Augen leuchten.
Mehr Informationen unter www.heide-marie-voigt.de.
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